ROUNDUP/Fehlende Wachstumsimpulse: Infineon stimmt auf weitere Rückgänge ein
NEUBIBERG (dpa-AFX) - Nach einem schwachen Geschäftsjahr blickt der Chiphersteller Infineon
"Aktuell bieten unsere Endmärkte, mit der Ausnahme von künstlicher Intelligenz, kaum Wachstumsimpulse, die zyklische Erholung verzögert sich", sagte Konzernchef Jochen Hanebeck. Deswegen stelle sich Infineon auf einen verhaltenen Geschäftsverlauf ein.
Der Umsatz dürfte im Geschäftsjahr 2024/25 (per Ende September) leicht sinken, teilte das Unternehmen am Dienstag in Neubiberg mit. Die Segmentergebnismarge, die die operative Rentabilität misst, soll dabei im mittleren bis hohen Zehner-Prozentbereich liegen. Das liegt deutlich unter den Erwartungen der Analysten.
Nach Einschätzung von Finanzvorstand Sven Schneider dürften die Leerstandskosten, also Kosten für eine Unterauslastung der Produktion, auf etwa eine Milliarde Euro steigen. Dies koste rund fünf Prozent an Profitabilität, sagte er auf der Bilanzpressekonferenz. Dabei erwartet das Unternehmen einen traditionell schwachen Jahresstart.
Im ersten Geschäftsquartal bis Ende Dezember dürfte der Umsatz auf 3,2 Milliarden Euro sinken. Im Vorquartal waren es noch 3,9 Milliarden. Die Segmentergebnismarge dürfe nach Einschätzung der Konzernspitze im mittleren Zehner-Prozentbereich liegen - nach 21,2 Prozent in den drei Monaten zuvor.
Investoren zeigten sich zunächst unentschieden und schickten die Aktie am Morgen auf Schlingerkurs. Für die im Dax notierten Papiere des Chipkonzerns ging es bereits in den ersten Handelsminuten kräftig auf und ab. Zuletzt lag ihr Kurs am Vormittag mit mehr als fünf Prozent im Plus.
In der Theorie habe der Konzern die Aktien mit dem avisierten leichten Umsatzrückgang für 2025 für Anleger wieder investierbar gemacht, sagte ein Börsianer. Es werde wohl ausreichend tief gestapelt. Ähnlich sieht es Janardan Menon vom Analysehaus Jefferies. Eine schwache Prognose reduziere das Risiko weiterer Kürzungen. Damit könne die Basis für eine Neubewertung der Aktien gelegt werden.
Analystin Sara Russo vom US-Analysehaus Bernstein Research hob dennoch den enttäuschenden Ausblick hervor - trotz der schon niedrigen Erwartungen. Sie geht zwar davon aus, dass Infineon seine Chancen im Bereich von KI-Servern ausnutzen wird. Dies scheine aber nicht auszureichen, um die anhaltende Schwäche in den anderen Endmärkten wie dem Automobilsektor auszugleichen.
Um dem schwachen Marktumfeld zu begegnen, hatte Infineon im Sommer ein Sparprogramm aufgelegt, das auch Arbeitsplatzabbau und die Verlagerung von Jobs aus Hochlohnländern vorsieht. Hier sieht sich Infineon im Plan. Für das neue Geschäftsjahr erwartet das Management um Hanebeck erste positive Auswirkungen. Richtig Fahrt aufnehmen soll es jedoch erst im Jahr darauf. Gestrichen werden sollen dabei weltweit 1.400 Stellen, noch einmal so viele will Infineon in günstigere Regionen verlagern. In Deutschland sollen insgesamt rund 1.300 Stellen abgebaut oder verlagert werden, sagte Hanebeck.
Dazu sollen im kommenden Jahr die Investitionen auf 2,5 Milliarden Euro gesenkt werden. Dies entspricht Hanebeck zufolge einer Kürzung um zehn Prozent.
Im abgelaufenen Geschäftsjahr 2023/24 verzeichnete Infineon einen Umsatz- und Ergebnisrückgang. Dies galt für alle Bereiche, auch für das zentrale Geschäft mit der Automobilindustrie. Dabei schloss Infineon mit einem versöhnlichen vierten Quartal, in dem sich die operative Entwicklung im Vergleich zu den drei Monaten zuvor verbesserte.
Der Umsatz sank 2023/24 jedoch insgesamt von 16,1 Milliarden auf knapp 15 Milliarden Euro, wie das Unternehmen weiter mitteilte. Die Segmentergebnismarge verschlechterte sich um 6,2 Prozentpunkte auf 20,8 Prozent. Damit erreichte das Management seine mehrfach gesenkten Ziele. Unter dem Strich verdiente der Chipkonzern 1,3 Milliarden Euro und damit deutlich weniger als die 3,1 Milliarden Euro aus dem Vorjahr.
Im Schlussquartal verbuchte Infineon sogar einen Verlust von 84 Millionen Euro. Hier machte sich allerdings eine Altlast bemerkbar, derer sich der Konzern nun entledigt hat. Seit Ende 2010 hatte sich Infineon mit dem Insolvenzverwalter des 2006 abgespaltenen Speichergeschäfts Qimonda in einem Rechtsstreit befunden. Anfang 2009 hatte Qimonda Insolvenzantrag gestellt. In dem Rechtsstreit ging es unter anderem um den Vorwurf, dass das von Infineon ausgegliederte Speichergeschäft nicht werthaltig gewesen sei. Im August hatten sich Infineon und der Insolvenzverwalter dann auf einen Vergleich geeinigt, der den Konzern im vierten Quartal mit mehr als 400 Millionen Euro belastete.
Ungeachtet des Gewinnrückgangs sollen Aktionäre eine unveränderte Dividende von 0,35 Euro je Aktie erhalten./nas/stw/stk